http://www.programmzeitung.ch/texte/poptext.cfm?TID=1000695


Mit dem Zeichenstift unterwegs | Künstlergruppe Monogatari


Berliner Comicreportagen über Basel:
Operation Läckerli
wird im Mai 2004 im Karikatur & Cartoon Museum gezeigt. Die ProgrammZeitung druckt jeden Monat bis zur Vernissage exklusiv eine Zeichnung ab.

Sie nennen sich Alltags-Spione und tragen den Namen ‹Monogatari›, was auf japanisch so viel heisst wie ‹Geschichten erzählen›: sechs junge KünstlerInnen aus der Metropole Berlin, die sich einer noch relativ unbekannten journalistischen Form widmen, der Comicreportage. Dass sich der Comic sehr gut für Reportagen eignet, haben schon Art Spiegelmann mit ‹Maus›, einer eindrücklichen Bildergeschichte über das Leben seines Vaters und den Holocaust, sowie Joe Sacco mit seinen Palästina- und Bosnienstudien bewiesen. Und natürlich gibt es die Vorläuferin dieser Kunst, die vor dem Siegeszug der Fotografie ein bewährtes Bildmedium in Zeitungen und Zeitschriften war: die Zeichnung in Form von Holzschnitten, Stichen, Radierungen und Lithografien. Gustave Doré und Francisco de Goya etwa schufen unvergessliche Sozialreportagen über Armenviertel und Kriegsgreuel, und viele andere, z.B. Tomi Ungerer, hielten Missstände der Gesellschaft mit spitzem Stift fest. Heute gilt die Fotoreportage als einzig authentische Bildform, die journalistisch eingesetzte Zeichnung ist, ausser der politischen Karikatur, meist nur noch im Feuilleton und den Magazinen anzutreffen.
Szenen einer Stadt
Die Stärken der Comicreportage sind, dass die Menschen sich vor einem Zeichenstift viel natürlicher bewegen als vor einer Kamera, dass man damit weit mehr Bilder zeigen kann und sich gerade auch unspektakuläre Szenen festhalten und zu einem differenzierten Ganzen fügen lassen. Im Gegensatz zur gezeichneten Reportage, bei der Text und Bilder keine formale Einheit eingehen, bedient sich die Comicreportage der erzähltechnischen Möglichkeiten ihres Mediums. Die Situation wird nicht nur abgebildet, sondern zugleich satirisch überspitzt, symbolhaft verkürzt oder assoziativ erweitert – je nach Fingerfertigkeit und visionärer Kraft der KünstlerInnen.
Die Mitglieder von Monogatari, die verschiedene Projekte auf zeichnerischer Basis betreiben (Comics, Illustrationen, Trickfilme), waren als ‹Alltags-Spione› bereits in Berlin und Luzern unterwegs und haben im vergangenen Sommer in Basel recherchiert. Ihre Comicreportagen und -essays über «die heisseste und fleissigste Stadt der Schweiz» sind sehr unterschiedlich und individuell geprägt. Ulli Lust, deren Bilderfolge hier zu sehen ist – speziell an Zeitungsformat und Satzspiegel angepasst! –, verbrachte ihre Zeit vorwiegend auf dem Barfüsserplatz, «wo die (multikulturellen) BewohnerInnen der Stadt alle irgendwann vorbeikommen», und beobachtete das Alltagstreiben. Ausser ihr liessen sich Kai Pfeffer, Tim Dinter, Jens Harder und Mawil auf Basel ein und zeichneten das, was ihnen besonders auffiel: die Fussball-Euphorie, das Basler Strandleben, der Wettbewerb der Museen und Szenen aus der Basler Geschichte zwischen GGG und DDT. Ihre Beiträge, die ab nächsten Mai in Ausstellung und Katalog zu sehen sein werden, versprechen neue und überraschende Einsichten in unser Stadtleben.

Dagmar Brunner

Operation Läckerli ab Sa 15.5.04 im Karikatur & Cartoon Museum Basel,